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Spike-Mutationen: besorgniserregende Varianten (variants of concern)

Hier wird die Struktur des Spike-Proteins der δ-Variante von Sars-2 gezeigt. Die Bindungsregion ist in der "aufwärts"-Position, die unterschiedlichen Aminosäuren gegenüber dem Wuhan-Stamm sind gelb gezeigt: .

Die δ-Variante des Virus hat eine kürzere Inkubationszeit. Das liegt daran, daß das Virus schneller mit der menschlichen Zellmembran verschmilzt. Wenn bei einem Patienten der PCR-Test zum ersten mal positiv ist, ist der Virentiter bereits tausendfach höher als bei den anderen Varianten. Der Geschwindigkeitsvorteil kann zusätzlich durch weitere Mutationen in anderen Bereichen des Virus hervorgerufen werden.
Die Immunantwort eines Wuhan-geimpften ist gegenüber δ geringer. Der Grund dafür sind Mutationen in der aminoterminalen Domäne (NTD) der Spikestruktur: . Das wurde mit monoklonalen Antikörpern getestet, die aus genesenen (Wuhan-)Covid-Patienten isoliert wurden.
Hier ist der ganze Spike-Komplex zu sehen mit der Zuckerdekoration der Proteine in braun.

Die früher entdeckten Varianten haben andere Mutationen, hier auf das δ-Protein abgebildet (δ in gelb):

(Austausche orange)

(Austausche grün)

(Austausche rot)

Angesichts dieser Mutationen war die omicron-Variante eine Überraschung (beachten Sie, daß Strukturänderungen gegenüber δ noch nicht gezeigt werden können): . In den nichtstruktur-Proteinen des Virus gibt es weitere 19 Mutationen. Das ist insgesamt eine erstaunliche Vielzahl für nur eine neue Variante!

Bisher gibt es kaum klinische Daten zum Krankheitsverlauf; die Art und Positionen der Mutationen lassen keine großen Hoffnungen auf den Wuhan-Impfschutz zu. Die Einführung von zwei Prolinen kann erhebliche Konsequenzen für die Stabilität der Struktur haben.


Generelles zur Spike-Struktur:
In der Sekundärstruktur dominieren Helices und Faltblätter , wodurch die innere Struktur fixiert wird. Die "ungeordneten" Bereiche der Proteinkette sind theoretisch flexibel, da die Cα-Cβ-Bindung einer Aminosäure drehbar ist. Eine eigentlich flexible Struktur kann jedoch fixiert werden, wenn räumlich benachbarte Cysteine mit ihren Schwefel-Seitenketten eine chemische Bindung eingehen: es gibt Disulfidbrücken. Davon gibt es im Spike-Protein beachtliche 15 Stück . Sie scheinen für Coronaviren essentiell zu sein: in keiner der Varianten von α bis µ ist eines der Cys getauscht. Zur genaueren Ansicht der Disulfidbrücken benutzen Sie die Maus: nach Klick kann mit dem Mausrad hineingezoomt und das Molekül gedreht werden.
Eine weitere für Struktur und Antigenität wichtige Aminosäure ist Prolin. Aufgrund der Ringstruktur ist keine Drehung um die Cα-Cβ-Bindung möglich, an allen Pro wird die Struktur versteift. Eine große Zahl von Prolinresten ist über alle "ungeordneten" Bereiche des Spike verteilt (Maus benutzen!). Alle Pro scheinen essentiell zu sein - nur in der γ-Variante kommt ein Tausch P26S (direkt neben P25) vor. Die Positionen der zusätzlichen omicron-Pro sind in rot markiert. Auf der gegenüberliegenden Seite sind die Positionen der zusätzlich in den Impf-Spikes eingeführten P986/7 (cyan) markiert.
Auf die Bedeutung der "Rahmung" antigener Epitope durch Prolin wurde hingewiesen (http://www.mamanatur.de/diss/Poliovirus - ein Antigen.pdf). Der die Antigenität steigernde Effekt relativ nah benachbarter Proline an der Oberfläche des Spikes wird allerdings durch die Zuckerdekoration des Proteins konterkariert - insgesamt sind 40% der Oberfläche durch Zucker vor dem Angriff von Antikörpern geschützt. Zuckermoleküle binden an Asparagin; diese Aminosäure ist auch konserviert, alleine Asn501 ist in α, β, γ, µ und ο gegen Tyrosin getauscht (Position in der Rezeptorbinde-Domäne; in δ wurde kein gebundener Zucker gefunden). In omicron sind auch Asn547 und 856 durch Lysin ersetzt . Das Bild zeigt das Spike-Trimer mit Prolin hellbraun und die Zuckermoleküle dunkelbraun, die Positionen der ο-Zusatz-P sind rot markiert. Einigermaßen exakte Aussagen zur omicron-Antigenität können erst nach ausführlichen Laboruntersuchungen gemacht werden.

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Literatur:
Strukturdaten: 7sbl.pdb aus J Zhang et al, Science 10.1126/science.abl9463 (2021)
Omicron Daten: https://github.com/cov-lineages/pango-designation/issues/343



12-12-2021 © Rolf Bergmann   http://www.papanatur.de/jsmol/sars13/spikevarianten.html